Der Schein:
Ich war auf einer Party, einer Party mit besonderen Menschen…Nein, keine Behinderten! Ich war auf einer Fidji-Indischen Party. Das Haus konnte ich gar nicht verfehlen. Die indische Musik drang bis auf die Straße und viele Autos waren kreuz und quer vor dem Haus geparkt. Am Eingang empfing der Gastgeber, ein streng dreinblickender Mann. Ich fühlte mich zuerst etwas unwohl, denn ich war vermutlich der einzige „weiße“, aber nachdem mir ein Mädchen etwas zurief was mir als: „Du siehst heiß aus!“ übersetzt wurde, war auch für mich das Eis gebrochen! Nachdem ich so vielen Leuten vorgestellt wurde, dass das Namens-Karrussel in meinem Kopf sich immer schneller und schneller zu drehen begann, flüchtete ich mich ein eine gewohnte Tätigkeit: Filmen und Fotografieren. Junge Mädchen in indischer Tracht gingen mit kleinen
Süßigkeiten-Tellern umher und der Gastgeber höchst persönlich erkundigte sich nach dem Wohlbefinden eines jeden Einzelnen. Die Geräuschkulisse aus Fidjian, Hindi und Englisch sowie indischer Musik war einzigartig. Jeder der über 70 Gäste war in Feierstimmung und selbstverständlich gut gekleidet: die Frauen trugen Saris, Goldschmuck und den roten Punkt auf der Stirn, die Männer Anzüge und schwarze Schuhe. Die Dekoration war schrill und farbenfroh, wenn auch ein wenig kitschig. In der Mitte der Gesellschaft konnte ich bald den Grund des Ganzen erspähen. Ein kleines Mädchen, zu dessen zweitem Geburtstag diese Party gegeben wurde. Nachdem auch der letzte Gast eingetroffen war, wurden Reden gehalten und englische sowie indische Geburtstagslieder gesungen. Danach wurde die große (und nach Kiwi-Art unendlich süße) Torte angeschnitten und das Geburtstagskind legte seinen Eltern und Verwandten ein Stück Kuchen in den Mund. Nachdem die Zeremonie vollzogen war, ging die Party erst richtig los. Die langen Tische bogen sich unter einer Vielzahl von indischen Speisen und Spezialitäten welche auf traditionelle Weise in der Erde gebacken wurden. Mein westeuropäischer Gaumen erlebte eine ihm noch nie da gewesene Geschmacksvielfalt- und Intensität. Neben dem reichhaltigen Essen floss auch der Alkohol in Strömen und so wurde nach kurzer Zeit geklatscht und getanzt. Auch ich wurde oft zum Tanzen aufgefordert. Zuerst war mir das etwas peinlich, da der indische Tanzstil mir bis dahin noch nicht so geläufig war, aber nachdem ich mich mehrmals unter dem Vorwand, noch einige Fotos schießen zu müssen, davon geschlichen hatte, wurde ich letztendlich mit Gewalt auf die Tanzfläche gezerrt. Nachdem der erste Schock überwunden war, machte das Ganze riesig Spaß. Es war wie in einer Art Traum. Die Musik, die Farben, die Menschen… Die Szene könnte aus Bollywood stammen!
Die Wahrheit:
Ich habe hier in Neuseeland eine gute Freundin gefunden. Sie kommt aus Fidji. Eines Tages fragte sie mich, ob ich nicht bei dem Geburtstag ihrer Nichte Fotos machen und filmen könne. Im gleichen Atemzug warnte sie mich aber: Du wirst in eine völlig andere Gesellschaft geraten, eine von Männern dominierte Gesellschaft. Also sei nicht zu nett, sprich nicht zuviel mit den Mädchen und berühre ja kein Mädchen! Wenn du irgendetwas brauchst, wird dir mein Bruder helfen, denn ich darf nicht zuviel in deiner Nähe sein.
Um ehrlich zu sein, ich war etwas geschockt, als ich das hörte…und genau deswegen bin ich hingegangen.
Es ist später am Abend, die meisten sind angeheitert und die Stimmung ist gut. Selbst der Gastgeber, der Vater meiner Freundin, hat gute Laune und scherzt mit jedem. Das ist für ihn leider eher ungewöhnlich, denn er ist ein gestrenger Mann der viel von Tradition hält. Die Tradition verbietet Mädchen unter anderem eine Beziehung vor der Ehe. Jedes mal, wenn meine Bekannte mit einem Mann gesehen wird, muss sie ihren Eltern Rede und Antwort stehen. Es kostet sie viel Kraft, ihrem Vater verständlich zu machen, dass die Männer nur Freunde oder Klassenkameraden sind. Ihre Brüder sind hier auch nicht sehr hilfreich, denn sie stehen auf der Seite ihres Vaters.
Sie ist gutgelaunt. Sie tanzt gern und liebt Partys. Sie umarmt ihren Vater oft, genießt seine fröhliche und offene Art. Sie sagt ihm, wie sehr sie ihn liebt, wie sehr sie seine offene Art genießt. Er fühlt sich geschmeichelt…
Sie weint bitterlich, ihre Freundinnen und Freunde versuchen sie zu trösten. Mit tränenerstickter Stimme flüstert sie: „ Er hat sich nicht geändert. Er hat mein Herz gebrochen und meine Kindheit zerstört! Warum tut er das, ich will doch nur glücklich sein!“
Ihr Vater hat ihr trotz seiner guten Laune so nebenbei noch einmal klargemacht, was Sache ist.
Einer der älteren Männer steht auf und kommt zu ihr: „Bitte hör auf zu weinen, du verdirbst die Stimmung, Danke!“
Sie ist 24 Jahre alt und studiert Sozialwissenschaften an der Uni Auckland. Sie kommt aus Fidji.
Sonntag, 22. Juli 2007
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3 Kommentare:
Ist ja richtig fett was du mal miterleben dartst!!! Hast ja schon ziemlich viel neues und für uns Europäer...naja Osteuropäer kennengelernt...echt respect!
Ich wünsche dir ganz doll viel Spaß und ich warte auf die neue Geschichte die hoffe ich bald wieder hier stehen wird!!!
P.S.: Vorsicht mit den Indischen frauen...wie du schon gesagt hast, man weiß nie wie die Familie reagieren wird...;-)
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